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Im Gespräch mit Susanne Kathlen Mader

In deiner aktuellen Ausstellung in Bærum Kunsthall bist du etwas anders vorgegangen als bei anderen Projekten. Du hast den Aufbau quasi unvorbereitet ohne Skizzen gestartet. Kannst du beschreiben, wie dieser Prozess stattgefunden hat?

Du hast recht, ich habe mir den Luxus erlaubt, mich dieses Mal gar nicht vorzubereiten und ganz spontan vor Ort zu entscheiden, was entstehen soll. Eine so tolle Gelegenheit habe ich ganz selten. Wenn es um Kunst-am-Bau Aufträge geht, muss man eine Jury mit einem konkret ausgearbeiteten Entwurf überzeugen. Dieser kann natürlich auch verändert und angepasst werden, das scheibe ich meistens dazu, dass ich mich vor Ort besser auf die Gegebenheiten einlassen kann, als es im Skizzenstadion möglich ist. Für das jetzige Projekt habe ich improvisiert. Es entspricht auch meiner eigentlichen Arbeitsweise, dass ich mich auf das gegebene Format einlasse und es mir dann in einem intuitiven Prozess erarbeite.

Welche Rolle spielen in diesem Fall die Skulpturen, von denen du in Kunsthall Bærum für deine Installation ausgegangen bist?

Eigentlich spielen sie erstmal die Hauptrolle, weil sie schon fertig sind. An denen kann ich zunächst einmal nichts verändern. Ich habe sie so ausgesucht, wie ich glaubte, dass es am besten sei. Welche Skulpturen in diesem Raum am besten wirken, auch im Zusammenhang miteinander. […] Die Skulpturen habe ich dann so platziert, dass sie Schwerpunkte bilden und den Raum engagieren. In Kombination mit den gemalten Kompositionen sind sie so arrangiert, dass der Besucher sich am Ende im gesamten Raum bewegen muss. 

Ich versuche den Blick zu lenken, auf Stellen, die man normalerweise nicht sieht. Vieles wird in dem Sinne ansonsten nicht wahrgenommen. Ecken werden nicht wahrgenommen oder was sich oben abspielt oder weiter unten. Es ist ja ganz selten, dass man sich auf dem Boden setzt oder wie Kinder auf dem Boden wälzt, das ist eine ganz andere Erfahrung. Vom Fußboden bis zur Decke und im gesamten Raum entsteht ein immerwährender Fluss, bei dem man in jeder Runde immer wieder etwas neu entdecken kann.

Die Stahlskulpturen gehören zu deinem jüngeren Repertoire, auch wenn du bereits früher dreidimensional gearbeitet hast. Sie bestehen aus teils gebogenen, zusammengeweißten Metallstäben. Wie wirken sich diese freien Kompositionen im Raum aus?

Die Skulpturen sind alle relativ klein, sie liegen ungefähr in einem Bereich von einem Meter. Sie bilden Zentren, öffnen die Wand oder sie hängen von der Decke und formen Linien in die Luft hinein. Diese dreidimensionalen Zeichnungen, durch die der Blick hindurch wandert, engagieren den Raum auf eine ganz andere Weise als es zweidimensionale Malerei an der Wand überhaupt kann. Je nach Perspektive verändern sich die Skulpturen sehr stark, sind aber immer gleichzeitig im Zusammenhang mit der Malerei erfahrbar. Ich habe insgesamt vier Skulpturen an verschiedenen Stellen im Raum positioniert. Eine Skulptur steht auf dem malerischen Boden mit einem Fuß auf einem Naturstein aus meinem Garten. Das Ganze gleitet dann in diese Bodenlandschaft der abgeblätterten Farbschichten hinein.

Inwiefern unterscheidet sich eine Installation in einem Kunstraum von einem Projekt für ein öffentliches Gebäude wie zum Beispiel einer Schule?

Eine Galerie oder ein Ausstellungsraum hat nur eine Funktion, nämlich die Kunst für eine gewisse Zeit zu beherbergen. Insofern gibt es wesentlich mehr Freiheiten als im öffentlichen Raum, wo ich mich zu einem Rahmen verhalten muss, das heißt mit Rücksicht auf Sicherheit, den äußeren Gegebenheiten und die Funktion des Raumes. Die Kunst spielt da niemals die Hauptrolle. Sie ist nur Hintergrund oder Beiklang und darf nicht im täglichen Gebrauch stören. Installationen im öffentlichen Raum sollten grundsätzlich auch so weit möglich abnutzungsresistent sein. In einer Galerie geht es nur um die Kunst und die Besucher haben sich ausgesucht, dahin zu kommen und wie lange sie bleiben. Eine Ausstellung ist auch nur temporär vorhanden und darin liegt ja der Reiz.

Wie würdest du die von dir vorgefundenen Gegebenheiten im Kunsthall Bærum abgesehen vom Format beschreiben? Der Raum entspricht ja eher einem typischen Kunstraum im Sinne eines White Cube, aber der Boden weist keine saubere, nüchterne Oberfläche auf.

Der Raum ist der Ausgangspunkt und wenn ich so arbeite wie hier, spielt alles mit hinein. Deswegen ist es auch viel sinnvoller zu improvisieren. Vor Ort entdecke ich unter anderem Details, die für die Balance des Ganzen sehr wichtig sind. Der Raum hat mir sehr gut gefallen, weil er hoch und luftig ist, relativ hell, ein bisschen industriell und auf eine malerische Art und Weise abgenutzt. Dieser Boden, der abgeblättert ist und wo die Farben der verschiedenen Farbschichten wieder zum Vorschein kommen. Dabei werden Trennlinien und Risse sichtbar. Solche Spuren, die durch die Bauweise oder die Konstruktion des Raumes entstanden sind, habe ich mir zunutze gemacht. Eigentlich ist es wie eine große Leinwand. Nur dass sie nicht vor mir liegt, sondern um mich herum ist. Ich gehe dann so vor, als würde ich auf einer Leinwand komponieren, das heißt ich baue Element für Element, Linie, Form und Farbe in einem Spiel von Spannung und Gleichgewicht auf.

Trotz Verschiedenheit deiner Elemente entsteht insgesamt eine poetische Leichtigkeit. Wie schaffst du es, aus der Kombination von Malerei und dreidimensionalen Skulpturen ein Gleichgewicht herzustellen?

Es verlangt eine Zurücknahme, weil man nicht ständig etwas hinzufügen kann. Es ist wie beim Kochen, wenn du immer mehr Gewürze reinschüttest und der Geschmack am Ende darunter leidet. Wenn ich Skulpturen hinzufüge, bedeutet es, dass ich mit weniger Malerei auskomme. Ansonsten würden die verschiedenen Medien sich bekämpfen. Der Prozess ist für mich unglaublich spannend. Es ist etwas, wobei ich mich herausfordere und schaue, wo ich etwas finde, was zusammenklingt.


Deine Installation fordert zu einer kontinuierlichen Bewegung im Raum auf und wirkt dabei sowohl dynamisch als auch leicht. Ich sehe daher eine Analogie zum Tanz. Könnte man sagen, dass du eine Choreografie erschaffst?

Das ist interessant und man kann es vielleicht so sagen. Mit diesem Raum hat es etwas ganz besonderes, weil das Format so viel größer als der eigene Körper ist. Man kann daher nicht alles auf einmal sehen. Man muss sich im Raum bewegen, sich drehen, nach oben und nach unten gucken. Dann setzt sich das Bild aus ganz vielen Sequenzen zusammen, die dann in der Erinnerung zusammengeführt werden. Und da die Erinnerung nicht sehr verlässlich ist, entsteht auch wieder so etwas wie eine Bewegung. Wie halten wir einen Eindruck fest oder was bleibt im Gedächtnis hängen? Unsere eigene mitgebrachte Erfahrung oder die augenblickliche Situation wird unser Erleben, unsere Deutung mitbestimmen. Und es entsteht immer wieder eine freie Variante des Erlebens, weil das Gesamtwerk nicht auf einem Mal zu erfassen ist. Man hat ja keine Kontrolle über das Werk. In dem Augenblick, indem man hineingeht, verändert es sich auch.

Das meinte ich mit Choreografie, weil du eine Spannung erzeugst, aus der eine sinnliche Leichtigkeit hervorgeht. Letztendlich setzt deine Kunst das Publikum in Bewegung und macht es somit zum aktiven Part im Kunsterlebnis. 

Es hat ja auch etwas mit dem eigenen Körper zu tun. Wenn eine Zeichnung oder eine Malerei viel größer ist als die Reichweite, die der eigene Körper erfassen kann oder der Blick extra wandern muss, gibt es auch eine ganz andere Wirkung, als wenn sich alles schön geordnet auf einem kleinen Format abspielt. Es war sehr motivierend und interessant für mich, damit zu arbeiten und diese Wirkung selber auch körperlich zu erspüren. Eine dem Raum guttuende Spannung aufbauen bedeutet, wie lang kann man eine Linie strecken, bevor die Spannung abfällt? Es gibt immer einen Maximalpunkt und dahin gehe ich auch mit der Farbe, so dass die Farbzusammenstellung mittels von Kontrasten, wie Komplementär-, Warm – Kalt-, Quantitätskontrast usw., den Raum aufspannt. Dieser Prozess ist sehr genau, es muss dabei genau die Farbe sein, genau der Ton, ansonsten funktioniert es nicht. Die Linien und Formen rhythmisieren oder organisieren den Raum. Die Farbklänge erschaffen ihrerseits die Dynamik, wie bei einem Netz, das sich aufspannt. Wenn ich da einen Fehler mache oder etwas umkehre, fällt alles zusammen. Es ist dann nicht mehr Kunst [lacht].